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GVSG-Kabinettsentwurf: „Ein wichtiges Gesetz, dem am Ende leider die Luft ausgeht.“

Berlin, 22. Mai 2024 – Vor dem Hintergrund der heute stattfindenden Kabinettssitzung zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) begrüßt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband, dass das Gesetz nach monatelangen Verhandlungen endlich vom Bundeskabinett beschlossen werden soll. Gleichzeitig kritisiert er, dass zentrale Reformvorhaben kurzfristig gestrichen wurden. „Nach schier unendlichen Diskussion innerhalb der Ampel nimmt dieses für die Hausärztinnen und Hausärzte so wichtige Gesetz endlich die nächste Hürde. Zwar sieht der Entwurf nach wie vor spürbare Verbesserungen für die Hausarztpraxen vor, der große Wurf ist das Gesetz nach den letzten Streichungen aber nicht mehr. Insbesondere die Streichung des HZV-Bonus ist aus versorgungspolitischer Sicht nicht nachzuvollziehen. Er wäre die Chance, das Thema Patientensteuerung voranzutreiben. Am Ende hat der Ampel-Koalition offensichtlich der Mut verlassen,“ so Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.

Als positiv bewertet der Hausärztinnen- und Hausärzteverband allen voran die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung: „Dass es die Entbudgetierung nach dem Modell MGV plus trotz massiver Widerstände in den Kabinettsentwurf geschafft hat, ist zweifelsohne positiv. Sie ist zwingend erforderlich, um dem laufenden Sterben der Hausarztpraxen etwas entgegenzusetzen. In einigen Regionen erhalten Hausarztpraxen lediglich knapp 70 Prozent des Honorars, das ihnen eigentlich zusteht. Dass das System so gegen die Wand fährt, ist offensichtlich. Klar ist aber auch: Die Entbudgetierung allein wird nicht reichen, um das Ruder rumzureißen. Dafür sind die Probleme nach Jahrzehnten des Nichtstuns zu groß,“ so Dr. Markus Beier, Co-Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes weiter.

Im Vergleich zum Referentenentwurf, wurde im Kabinettsentwurf der 30-Euro-Bonus für Patientinnen und Patienten, die an den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) teilnehmen, gestrichen. In der HZV wählen die Patientinnen und Patienten eine feste Hausärztin oder einen festen Hausarzt, der bei allen medizinischen Anliegen ihr erster Ansprechpartner ist. Dieser koordiniert dann, bei Bedarf, die weitere Versorgung mit Fachärztinnen und Fachärzten. Wissenschaftliche Evaluationen zeigen, dass insbesondere Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen dadurch deutlich besser versorgt werden können.

„Während alle Expertinnen und Experten, inklusive des Sachverständigenrates, sich darüber einig sind, dass es unbedingt eine bessere Patientensteuerung braucht, ignoriert das GVSG dieses Thema komplett. Der HZV-Bonus wäre die Chance gewesen, die dringend notwendige Patientensteuerung im Gesundheitswesen schnell und zielgenau zu fördern. Dass ausgerechnet dieses Projekt nun aus dem Entwurf geflogen ist, zeigt, dass die Ampel-Koalition offensichtlich weder den Willen noch die Kraft hat, die tiefsitzenden, strukturellen Probleme in unserem Gesundheitswesen anzupacken. Insbesondere die FDP steht seit Monaten auf der Reformbremse. Wir werden im parlamentarischen Verfahren weiter darauf drängen, dass dieser Fehler erkannt und korrigiert wird. Hier sind dann auch die Abgeordneten gefordert, Farbe zu bekennen“, sagte Beier.

Darüber hinaus mahnt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband weitere Nachbesserungen bei der Vorhalte- sowie der Quartalspauschale an: „Zwar sind einige Böcke wie die Samstagssprechstunden abgeräumt worden, dafür hat man an anderer Stelle wieder neue gebaut. Das sind extrem komplexe Vorhaben, die im weiteren parlamentarischen Verfahren kritisch begleitet werden müssen, damit in den Praxen auch wirklich das ankommt, was der Gesetzgeber intendiert hat. Am Ende des Tages wird auch die Selbstverwaltung in der Verantwortung stehen, die gesetzlichen Vorgaben so umzusetzen, dass für die Praxen etwas Sinnvolles rauskommt,“ so Beier weiter.

Deutliche Kritik übte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband an den Krankenkassen. Diese haben sich in den vergangenen Monaten immer wieder gegen eine Stärkung der hausärztlichen Versorgung ausgesprochen. „Wir haben es mit einer ausgewachsenen Krise der hausärztlichen Versorgung zu tun. Diese ist bei den Patientinnen und Patienten leider mit voller Wucht angekommen. Die Krankenkassen, die offensiv gegen die Stärkung der Hausarztpraxen lobbyieren, nehmen billigend in Kauf, dass eine Hausarztpraxis nach der anderen dicht macht. Das wird nicht nur die Versorgung massiv verschlechtern, sondern auch die Kosten im Gesundheitswesen weiter explodieren lassen, denn wo es keine Hausarztpraxis mehr gibt, werden die Menschen stattdessen viel schneller in das Krankenhaus gehen. Dieses Vorgehen der Kostenträger ist kurzsichtig und schadet den Patientinnen und Patienten,“ sagte Buhlinger-Göpfarth.