Berlin, 26.05.2025 – Zu dem heute von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) verabschiedeten Positionspapier zur Ambulanten Patientensteuerung in der Notfall-, Akut- und Regelversorgung erklären die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier:
„Es ist positiv, dass die KBV nach vielen Anläufen endlich eigene Ideen zur Patientensteuerung vorgelegt hat. Mit einem wirklichen hausärztlich gesteuerten Primärarztsystem haben die Vorschläge allerdings wenig zu tun. Vielmehr wird hier ein Primärarztmodell nach dem Prinzip „Schweizer Käse“ vorgeschlagen – mit unzähligen Ausnahmen, Schlupflöchern und alternativen Versorgungspfaden. Effiziente Versorgung und klare Strukturen sucht man hingegen vergebens. Das Ende vom Lied wird sein, dass nur ein kleiner Teil der Patientinnen und Patienten wirklich von den Vorteilen eines Primärarztsystems profitieren würden. Die meisten würden auch zukünftig auf sich alleine gestellt durch das System irren.
Ein Primärarztsystem ist keine simple Überweisungsmaschine. Der Grundgedanke ist vielmehr, dass der allergrößte Teil der Patientenanliegen direkt in den Hausarztpraxen abschließend geklärt werden und nur in wirklich notwendigen Fällen, die gebietsfachärztliche Expertise der Kolleginnen und Kollegen eingeholt wird. Als Generalisten sind die Hausärztinnen und Hausärzte dafür geschult, viele Fälle aus unterschiedlichen Bereichen abschließend zu versorgen. Diesen Fakt ignoriert das KBV-Papier komplett. Anders ist nicht zu erklären, dass beispielsweise auch Gynäkologinnen und Gynäkologen steuern sollen. In der Praxis würde das bedeuten, dass diese zwar formal der erste Ansprechpartner für ihre Patientinnen sind, sie diese aber sofort weiterschicken müssten, wenn kein explizites gynäkologisches Anliegen vorliegt. Oder sollen Gynäkologinnen und Gynäkologen zukünftig etwa die Palliativversorgung bei Demenzpatientinnen übernehmen oder DMPs organisieren? Auch die Idee des fachärztlichen „Betreuarztes“, der ohne Überweisung aufgesucht werden soll, geht in die gleiche Richtung. Hier werden Partikularinteressen bedient, statt das große Ganze im Blick zu behalten.
Auch der massive Ausbau der 116117 während der regulären Praxisöffnungszeiten, hin zu einer Überweisungshotline, läuft den Zielen eines Primärarztsystems komplett zuwider. Nach den Vorstellungen der KBV soll jede Patientin oder Patient, die oder der seine Hausarztpraxis gerade nicht erreicht oder sich einfach keine Praxis suchen möchte, jederzeit an die 116117 wenden. Dort sollen dann nach kurzer telefonischer Konsultation Überweisungen zu Facharztpraxen ausgestellt werden. So wird natürlich kein Patientenanliegen effizient geklärt und kein einziger unnötiger Facharztbesuch verhindert! Das Problem der teilweise exorbitanten Wartezeiten bei vielen Facharztpraxen wird sich weiter zuspitzen.
Positiv sind die Vorschläge zur Notfallversorgung und der Akutversorgung außerhalb der Praxisöffnungszeiten. Hier stimmen wir mit der KBV überein, dass es deutlich verbindlichere Strukturen als bisher braucht.“