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Rundbrief der Bundesvorsitzenden am 16.05.2024

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

das Thema Patientensteuerung ist inzwischen in aller Munde. Das war vor wenigen Jahren noch ganz anders! Wenn wir Hausärztinnen und Hausärzte in der Vergangenheit darauf aufmerksam gemacht haben, dass es sowohl für unsere Patientinnen und Patienten als auch für die Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitssystems eine echte Gefahr ist, dass jede und jeder vollkommen unkoordiniert durch das hyperkomplexe Gesundheitswesen geschickt wird, wurden wir belächelt und teilweise auch angegangen. Wenige Jahre später kommt niemand mehr um das Thema herum. Selbst der Letzte hat begriffen: Ohne eine gute hausärztliche Steuerung, wird der Kollaps des Gesundheitswesens kaum noch aufzuhalten sein.

Deutscher Ärztetag – Klarer Beschluss für mehr Steuerung

Der Deutsche Ärztetag hat sich in seinem Leitantrag erstmalig klar und deutlich für eine Steuerung der Versorgung durch uns Hausärztinnen und Hausärzte ausgesprochen. Ausdrücklich wurde dabei auch die Bedeutung der Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) betont, an denen bundesweit inzwischen über neun Millionen Patientinnen und Patienten teilnehmen und die gerade in den aktuellen Krisenzeiten für viele Praxen der letzte Rettungsanker sind. Das war eine wichtige Bestätigung unseres langjährigen Kurses.

Weniger schön war, dass die angekündigte Reform der ärztlichen Weiterbildung explizit das Europäische Recht als Referenz nimmt. Das hätte für die Allgemeinmedizin eine deutliche Verkürzung der Dauer der Weiterbildung auf drei Jahre zur Folge. Dass dies von einigen Mitgliedern des BÄK-Vorstandes vehement verteidigt wurde, lässt ungute Erinnerung an die Zeit aufkommen, als ausgewählte ärztliche Vertreter die Entwicklung der Allgemeinmedizin zum fachärztlichen Status verhindern wollten. Die fünfjährige Weiterbildung ist für uns nicht verhandelbar! Die Komplexität der hausärztlichen Versorgung wird immer größer, nicht kleiner. Da erscheint es absurd, jetzt über eine Verkürzung der Weiterbildung zu diskutieren.

Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – HZV-Bonus muss kommen!

Auch beim Gesundheitsversorgungsgesetz (GVSG), das noch in diesem Monat im Bundeskabinett behandelt werden soll, spielt die Patientensteuerung eine zentrale Rolle. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach will Versicherte, die sich freiwillig in die HZV einschreiben, mit einem 30 Euro Bonus belohnen. Das ist der mit Abstand beste und schnellste Weg, Versicherte zu motivieren, sich für eine feste Hausarztpraxis zu entscheiden und von dieser durch das Gesundheitssystem begleitet zu werden.

Selbst die KBV und ihr Chef Dr. Andreas Gassen scheinen nach Jahrzehnten des Tiefschlafes inzwischen das Thema Patientensteuerung für sich entdeckt zu haben. Statt uns aber zu unterstützen, jetzt zügig einen HZV-Bonus umzusetzen, wird lieber über verschiedene Versichertentarife in der Regelversorgung phantasiert. Jeder, der das KV-System kennt, weiß: Bis sich dort etwas ändert, sind wir alle im Ruhestand! Der Kollektivvertrag ist viel zu träge und hat in der Vergangenheit eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er seine besten Jahre hinter sich hat.

Wer mehr Patientensteuerung will, der muss jetzt die HZV stärken. Nur in diesen Verträgen ist es möglich, Versorgungsinnovationen umzusetzen. Dazu gehört beispielsweise schon heute, dass nicht alle Chroniker jedes Quartal mehrfach bei ihrer Hausärztin oder ihrem Hausarzt vorstellig werden müssen – egal, ob das medizinisch sinnvoll ist oder nicht. Geld wird hier nicht für Fleißarbeit, sondern für gute Versorgung gezahlt. Wenn die KBV ein ernsthaftes Interesse an besserer und effizienterer Versorgung hat, dann muss sie gemeinsam mit uns für den HZV-Bonus kämpfen. Dabei ist für uns vollkommen klar: Nur wir Hausärztinnen und Hausärzte können die erste Anlaufstelle für unsere Patientinnen und Patienten sein. Wenn wir jetzt wieder anfangen, zig unterschiedliche Fachärzte als erste Anlaufstelle für die Patientinnen und Patienten zu etablieren, so wie die KBV das offensichtlich will, dann landen wir am Ende des Tages in exakt denselben chaotischen Strukturen, aus denen wir eigentlich heraus wollen.

Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen

Neben dem HZV-Bonus sieht der GVSG-Entwurf unter anderem die längst überfällige Entbudgetierung der Hausärztinnen und Hausärzte nach dem Modell MGV plus, die Einführung einer Vorhaltepauschale sowie die Anhebung der Bagatellgrenze bei Regressverfahren vor. Drüber hatten wir sie bereits im letzten Rundbrief informiert. Das sind Verbesserungen, die unser Verband schon lange fordert und die helfen können, die Krise der hausärztlichen Versorgung zumindest abzumildern. Damit sie aber in der Praxis auch funktionieren, braucht es noch eine ganze Reihe an Nachbesserungen, denn der Teufel steckt wie so häufig im Detail. Wir haben dem Bundesgesundheitsministerium hierzu sehr genaue Vorschläge unterbreitet, wie es konkret in den Praxen funktionieren kann.

Keine Öffnung der Krankenhäuser für die hausärztliche Versorgung!

Wo sich die Bundesregierung hingegen komplett verrannt hat, ist das Krankenhausgesetz, das am Mittwoch im Bundeskabinett eine weitere Hürde genommen hat. Für uns Hausärztinnen und Hausärzte ist die Öffnung der Krankenhäuser für die hausärztliche Versorgung ein absolutes No-Go und komplett losgekoppelt von der Versorgungsrealität. Keine Patientin und kein Patient will in einem anonymen Krankenhaus hausärztlich versorgt werden! Außerdem: Soll jetzt etwa das knappe Personal aus den Hausarztpraxen abgezogen werden, damit es in Zukunft in ineffizienten Krankenhausstrukturen arbeitet? Diese Pläne vom Reißbrett zeigen leider einmal mehr, dass der Wert der hausärztlichen Praxis vor Ort zu oft nicht gesehen wird und stattdessen lieber die stationären Strukturen künstlich aufgeblasen werden. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Verantwortlichen im weiteren parlamentarischen Prozess noch einsehen, dass sie sich mit dieser Idee ein massives Eigentor einhandeln!

Wir halten Sie auf dem Laufenden und kämpfen auf dem Berliner Parkett weiter für Ihre Interessen!

Mit kollegialen Grüßen

Dr. Markus Beier            Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth
Bundesvorsitzender        Bundesvorsitzende