Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir erleben derzeit eine Krise der hausärztlichen Versorgung. Jede und jeder, der in den Hausarztpraxen arbeitet und täglich Patientinnen und Patienten versorgt, weiß das. Bereits heute sind knapp 5.000 Hausarztsitze nicht besetzt. Zeitgleich sind mehr als 11.000 MFA-Stellen unbesetzt. Es steht außer Zweifel, dass die Situation sich in den kommenden Jahren weiter zuspitzen wird, wenn die Politik jetzt nicht massiv gegensteuert.
Wir haben eine Versorgungskrise
Eine zentrale Ursache der Krise ist natürlich die mangelnde Finanzierung der hausärztlichen Versorgungsebene. Wenn die Praxen nicht überall in Deutschland endlich fair und angemessen für ihre Arbeit bezahlt werden, dann wird es eine gute und robuste hausärztliche Versorgung, die die Menschen in diesem Land schätzen und brauchen, in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Eine faire Bezahlung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass sich junge Kolleginnen und Kollegen für den Beruf entscheiden, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut bezahlen können und dass wir in der Lage sind, in unsere Praxen zu investieren.
Gleichzeitig haben wir es aber auch mit einer Systemkrise zu tun. Der Versorgungsdruck steigt quasi täglich. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen sind gezwungen, keine neuen Patientinnen und Patienten mehr aufzunehmen – schlichtweg, weil das Pensum nicht mehr zu schaffen ist. Gerade in der anstehenden Infektsaison werden sich wieder lange Schlangen vor den Praxen bilden und die Wartezimmer überlaufen. Für die Behandlung des Einzelnen bleiben dann nur noch wenigen Minuten. Die Gründe hierfür kennt die Politik seit vielen Jahren: Mangelnde Patientensteuerung, Bürokratiewahnsinn und Fachkräftemangel sind nur einige der Schlagworte.
BSG-Urteil zum Bereitschaftsdienst
Das BSG-Urteil dieser Woche, nach dem Poolärztinnen und Poolärzte im Bereitschaftsdienst unter bestimmten Bedingungen der Sozialversicherungspflicht unterliegen, wird diese Abwärtsspirale vielerorts nur weiter verschärfen. Zusätzliche Nacht- und Wochenendschichten – und das neben den vielen Sonderschichten, die wir ohnehin schon machen – sind nicht mehr leistbar, könnten aber in einzelnen KV-Regionen die Folge dieses Urteils sein. Das wird den Versorgungsdruck auf unsere Praxen nur weiter verstärken und einen Teil der nachkommenden Generation endgültig von der Niederlassung abschrecken!
Wir hatten bereits frühzeitig das Bundesgesundheitsministerium sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf die Sachlage aufmerksam gemacht. Wir drängen darauf, dass nun schnell eine gesetzliche Lösung gefunden wird, die sicherstellt, dass auch in Zukunft Poolärztinnen und Poolärzte Bereitschaftsdienste übernehmen. Es eilt! Bis dahin müssen die einzelnen KVen ihre Mitglieder jetzt schnell und transparent darüber informieren, wie das konkrete weitere Vorgehen in den kommenden Tagen und Wochen in der jeweiligen Region aussehen soll.
Wir fordern einen Krisengipfel mit dem Bundesgesundheitsminister
Es ist kein Wunder, dass die Stimmung in den Hausarztpraxen so schlecht ist wie wahrscheinlich noch nie. Gegenüber dem Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach haben wir diese Woche erneut deutlich gemacht: Wenn er und die Bundesregierung jetzt nicht sofort handeln, dann werden die Menschen in immer mehr Teilen unseres Landes bald ohne hausärztliche Versorgung dastehen. Dies gilt es unter allen Umständen zu vermeiden. Deswegen haben wir ihn öffentlich aufgefordert, in den kommenden Wochen einen Krisengipfel zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung einzuberufen. Es braucht einen koordinierten und nachhaltigen Plan, wie die hausärztliche Versorgung stabilisiert werden kann, bevor es zu spät ist.
Die Delegiertenversammlung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes hat im September einen Katalog mit sechs Forderungen zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung verabschiedet. Diese müssen von der Politik schleunigst angepackt werden, wenn sie das Ruder noch rumreißen will.
Noch in diesem Jahr, müssen die ersten Maßnahmen in Gesetzesform gegossen werden:
Es braucht jetzt sofort die versprochene Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen.
Wir fordern eine Strukturpauschale, mit der die hausärztlichen Versorgerpraxen gezielt gefördert und entlastet werden.
Ohne eine weitere Stärkung der HZV-Verträge wird es in Zukunft nicht gehen. Diese sollte kurzfristig mittels einer Bonifizierung der teilnehmenden Patientinnen und Patienten über die Präventions- und Bonusprogramme der Krankenkassen erreicht werden.
Immerhin: Der Bundesgesundheitsminister hat in der BILD am Sonntag erneut versprochen, dass die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen kommen soll – und zwar noch in diesem Winter. Das wäre ein wichtiger Schritt, der allein aber natürlich die Probleme landesweit nicht lösen können wird. Sie muss vielmehr Teil eines Maßnahmenpakets sein.
Was wir tun
Um auch unsere Patientinnen und Patienten auf die extrem angespannte Situation in unseren Praxen hinzuweisen, werden wir kontinuierlich, sachorientiert, aber deutlich kommunizieren. In der November-Ausgabe unseres Verbandsmagazins DER HAUSARZT finden Sie Plakate zur Ansprache Ihrer Patientin¬nen und Patienten im Wartezimmer. Darüber hinaus werden wir mittels einer Kampagnenseite Stimmen aus den Hausarztpraxen sammeln und in die Öffentlichkeit tragen. So haben Sie die Möglichkeit, unverstellt und aus erster Hand die Realität in den Praxen darzustellen. Weitere Aktionen werden folgen. Dabei hängt natürlich vieles davon ab, ob die Bundesregierung die Dramatik der Situation erkennt und entsprechend handelt. Wir werden weiter in persönlichen Gesprächen an die Verantwortlichen appellieren, denn, den Kopf in den Sand zu stecken, würde Ihnen in den Praxen am wenigsten helfen.
Petition unterschreiben
Ein weiterer Weg, um auf die Missstände aufmerksam zu machen, ist es, die Petition der KBV zu unterschreiben und zu bewerben. Alle Informationen sowie Materialien für die Praxis stehen unter www.kbv.de zur Verfügung. Dort finden Sie auch eine Umfrage der KBV, gemeinsam mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi), zur aktuellen Lage in den Praxen. Nehmen Sie sich bitte 10 Minuten Zeit, um konkret darzustellen, welche Probleme besonders dringlich sind. Für die Anmeldung sind Zugangsdaten notwendig, die Sie seit dem 19. Oktober 2023 per Post oder per E-Mail vom Zi erhalten haben.
Mit kollegialen Grüßen
Dr. Markus Beier Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth
Bundesvorsitzender Bundesvorsitzende